Gruppe von Enzymen hilft in Chloroplasten beim Stressabbau

Stress wie Hitze oder Kälte kann bei Pflanzen etwa in den Chloroplasten, den Orten der Photosynthese, dazu führen, dass reaktiver Sauerstoff bestimmte Proteine oxidiert, das heißt, ihnen Elektronen wegnimmt. In der Folge können sie oft ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen. Ein Forscherteam um die Kaiserslauterer Professorin Dr. Stefanie Müller-Schüssele hat nun herausgefunden, dass eine Enzym-Gruppe, die Glutaredoxine, helfen, diesen oxidativen Stress abzubauen. Sind sie nicht vorhanden, können die Chloroplasten den Grundzustand nur langsam wiederherstellen, in dem die Proteine in reduzierter Form vorliegen. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Redox Biology“ veröffentlicht.
Chloroplasten sind die Orte in Pflanzenzellen, in denen die Photosynthese stattfindet. „Dabei wird die Lichtenergie geerntet und Kohlenstoffdioxid in Zucker umgesetzt“, sagt Professorin Dr. Stefanie Müller-Schüssele, die an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) zu Molekularer Botanik forscht. „Bei diesen Prozessen werden Elektronen zwischen Enzymen weitergegeben. Diese Prozesse müssen reguliert werden, das heißt, wenn Licht vorhanden ist, sind diese Proteine aktiv und umgekehrt.“
In den Chloroplasten findet eine solche Regulierung über die Aminosäure Cystein statt, die bei vielen Proteinen in ihrem Grundgerüst vorkommt. „Sie besitzt eine Schwefelgruppe, eine sogenannte Thiolgruppe, welche sehr reaktiv ist und reversibel oxidiert oder reduziert werden kann, sie kann also Elektronen aufnehmen beziehungsweise abgeben“, so die Kaiserslauterer Professorin weiter.
Gesteuert wird dies über sogenannte Thioredoxine. Sie regulieren in den Chloroplasten die Photosynthese-Proteine, die wichtig für die Herstellung des Zuckers sind. „Sie fungieren als eine Art Schalter, der die Proteine mit Thiolgruppe aktiviert, wenn viel Licht vorhanden ist und sie ausschaltet, wenn wenig Licht da ist“, sagt Müller-Schüssele. Dieser Mechanismus ist schon lange bekannt und gut untersucht. In diesem Zusammenhang spricht die Forschung auch von Redox-Schaltern.



In den Chloroplasten gibt es noch eine weitere Enzym-Gruppe die Cysteine reversibel oxidieren und reduzieren kann: Dabei handelt es sich um Glutaredoxine. „Bei dieser Enzym-Gruppe stand die Vermutung im Raum, dass sie ebenfalls diese Thiol-Schalter bedienen könnte“, fährt sie fort. In der aktuellen Studie ist das Team um Müller-Schüssele der Frage nachgegangen, ob das der Fall ist und welche Rolle die Glutaredoxine in den Chloroplasten spielen.
Um dies zu untersuchen, haben die Forscherinnen und Forscher mit dem Kleinen Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens) gearbeitet, dessen Genom seit 2008 sequenziert ist und das oft als Modellorganismus zum Einsatz kommt. „Es besitzt nur eines dieser Glutaredoxine in den Chloroplasten, sodass wir es mit molekularbiologischen Methoden einfach ausgeschaltet haben, um herauszufinden, was in den veränderten Pflanzen passiert“, sagt Mitautorin Sadia Sayed Tamanna, die als Doktorandin bei Müller-Schüssele im Rahmen der Graduiertenschule STRESSistance forscht, bei der Stressantworten bei unterschiedlichen Organismen im Mittelpunkt stehen.
Das Team hat überprüft, ob es bei CO2-Fixierung und der Herstellung des Zuckers zu Änderungen kommt. „Wir haben festgestellt, dass sie genauso viel Licht und CO2 nutzen, wie es bei den normalen Blasenmützenmoos-Varianten der Fall ist“, so Tamanna weiter. Somit ist es nicht an der Lichtregulation beteiligt. Doch welche Aufgabe kommt der Gruppe zu?
Um hier Licht ins Dunkle zu bringen, haben die Forscherinnen und Forscher ein grün-fluoreszierendes Protein in Chloroplasten eines lebenden Mooses eingeschleust, bei dem das Glutaredoxin ausgeschaltet ist. Das Besondere: In dem Fluoreszenz-Protein ist ein künstlicher Thiol-Schalter eingebaut. Unter dem Mikroskop lässt sich nun die Fluoreszenz beobachten. Tamanna: „Dabei können wir sehen, ob der Schalter in reduzierter oder oxidierter Form vorliegt. Wir haben uns in Echt-Zeit angeschaut, wie sich die Redox-Situation in verschiedenen Stress-Situationen ändert.“ Unter anderem haben sie die Proben mit dem Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid versetzt und dieses danach wieder weggewaschen. „Wir haben festgestellt, dass das Reduzieren des Schalters ganz langsam verläuft, Minuten bis Stunden, wenn das Glutaredoxin nicht da ist“, fasst Müller-Schüssele zusammen. „Umgekehrt ist es der Fall, wenn es vorhanden ist, da geht alles ganz schnell. Unsere Ergebnisse zeigen, dass es der Zelle bei der Bewältigung von Stress hilft, bei dem es zur Oxidation von Cysteinen kommt.“
Für die Zellen ist es wichtig, dass Cysteine in reduzierter Form vorliegen. Dies scheint über das Glutaredoxin zu laufen: Generell führt Stress, der etwa mit äußeren Bedingungen (Hitze, Kälte) zu tun hat, bei Pflanzen dazu, dass Elektronen auf Sauerstoff überspringen und in der Folge wiederum die Cysteine in oxidierter Form vorliegen, sodass sie im Anschluss für ihre Aufgaben nicht mehr zur Verfügung stehen. Welche Proteine der Chloroplasten genau durch Glutaredoxin reguliert werden, will das Team um Müller-Schüssele in weiteren Studien herausfinden.
An der Forschungsarbeit waren neben der Kaiserslauterer Arbeitsgruppe Teams der Universitäten in Bonn, Düsseldorf, Köln und Münster sowie aus dem italienischen Bologna beteiligt. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Redox Biology veröffentlicht: „Chloroplasts lacking class I glutaredoxins are functional but show a delayed recovery of protein cysteinyl redox state after oxidative challenge“

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Kaiserslautern, 29.01.2024

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