SmartFactory-KL ist Testbed für Gaia-X

Die vernetzte Produktion bringt Flexibilität, aber auch Komplexität. Die Arbeit in neuen Systemarchitekturen verlangt softwareseitig neue Formen der Kommunikation, der Abstimmung und der Kontrolle. Der Einsatz von KI-Methoden nimmt zu, Wissenschaftler arbeiten an menschenverständlichen „Übersetzungen“. „Vielerorts gibt es tolle Ideen, aber es fehlen noch Standards, um wirklich technologieübergreifend neue Techniken zu implementieren“, sagt Prof. Martin Ruskowski, Vorstandsvorsitzender der SmartFactory Kaiserslautern. „Das bedeutet, dass wir uns bei Schlüsseltechnologien einigen müssen, damit wir in der Entwicklung weiterkommen.“

Die Zukunft heißt „Shared Production“
Die skillbasierte Zusammenarbeit autonomer Module, auch über die Fabrikhalle hinaus, ist seit Jahren ein Forschungsinhalt der SmartFactory Kaiserslautern (SF-KL) und der Kern der Vision Production Level 4. Im Moment beschäftigen sich Arbeitsgruppen innerhalb des Vereins mit Fragen rund um die Koordination der autonomen Elemente. „Wir entwickeln Konzepte für Multiagentensysteme“ erklärt Ruskowski. „Denn wir stehen vor der Aufgabe, dass sich die Teilnehmer in den Netzwerken abstimmen und koordinieren müssen. Dazu benötigen sie Informationen über die zu fertigenden Produkte, ihren Standort, sowie die ausgeführten und anstehenden Arbeitsschritte.“ Bisher wurden diese Informationen im Produkt selbst hinterlegt, bspw. in einem RFID-Chip. Davon wollen die Wissenschaftler wegkommen, weil es Probleme mit sich bringen kann, etwa bei der Wärmeumformung oder in Tauchbädern. „Derzeit arbeiten wir an einer zentralen Registry, auf die alle Skills zugreifen können“, so Ruskowski weiter.“ Die Fähigkeiten (Skills) sollen als gekapselte Einheiten technologieunabhängig funktionieren, aber dank definierter Standards trotzdem zusammenarbeiten können. Dabei spielen „Production Bots“ oder „Softwareagenten“ eine zentrale Rolle bei der Arbeitsorganisation. Das Thema beleuchtet Prof. Ruskowski in seiner Keynote „autonom, resilient, agil – Production Level 4 definiert die Produktion der Zukunft neu“ auf der Hannover Messe am 13.04. um 14:45 Uhr.

smartMA-X erarbeitet technische Details
„Die Vorstellung, wie eine Shared Economy funktionieren soll, die haben wir“, so Keran Sivalingam, Projektleiter von smartMA-X. „Doch die technische Umsetzung, das ist Neuland, da ist wissenschaftliche Ingenieursarbeit gefragt. An der Stelle bin ich froh, dass wir auf so viele unterschiedliche Expert:innen aus der SmartFactoryKL, dem DFKI und der TU Kaiserslautern zurückgreifen können!“ Jede der drei Einrichtungen steht für ein technisches Modul, eine Fertigungsfähigkeit oder einen Service. Zusammen bilden sie zukünftig das Testbed für vernetzte Produktion. Ein Production Level 4 – Demonstrator funktioniert bereits im Innovation Lab der SmartFactoryKL. Ein zweiter mit völlig neuem Transportsystem ist im DFKI Gebäude im Bau. An der TU Kaiserslautern wird der Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen und Steuerungen mit Fräsmaschinen angebunden, die individuell gefräste Bauteile herstellen. „Die Idee von Gaia-X betont, dass jede Maschine oder jeder Service Teil eines Datennetzwerkes ist. Egal welcher Hersteller technisch dahinter steckt. Dieses Netzwerk bildet einen Datenraum, indem Daten souverän und sicher ausgetauscht werden können“, sagt Sivalingam. „Wir müssen nun schauen, wie dieser Datenraum technisch realisiert werden kann. Vor allem mit dem Blick auf die Industrie, deren Bedürfnissen und Anforderungen.“

Erfahrung und Industriepartner
„Unser Vorteil ist, dass wir als Fabrikvordenker auf über 40 Wissenschaftler:innen am Standort bauen können“, betont Ruskowski. „Wir können Wissen bündeln und auf Forschungsfragen beispielsweise im Kontext ‚Shared Production‘ fokussieren. So arbeiten die Kolleg:innen an der TU mit Robotern, 5G und autonomen Fahrzeugen, die aus dem DFKI forschen zu KI und Multiagentensystemen und die SmartFactory-KL organisiert zusätzlich Arbeitsgruppen mit den Industriepartnern, wo unsere Ideen einer Realitätsprüfung unterzogen werden.“ Das Prinzip funktioniert seit der Gründung 2005. Seit 2014 bauen die Fabrikvordenker eigene Produktionsanlagen, um die Machbarkeit theoretischer Annahmen technisch zu verifizieren.

Heute forschen, was morgen notwendig ist
Ein Beispiel ist das EU-Projekt MAS4AI. „Vernetzte Produktion benötigt eine flexible und schnelle Planung“, erläutert Ruskowski. „Man benötigt sowas wie Software-Agenten oder Production Bots, die sich um die Orchestrierung der anliegenden Aufgaben und Transporte in einem flexiblen Produktionsnetzwerk kümmern.“ Dazu arbeiten 17 Projektpartner europaweit zusammen. Die Fabrikvordenker haben sich dabei in besonderer Weise mit zwei Industriepartnern verzahnt. „Zwei Doktoranden von mir sitzen am Thema Multiagentensysteme. Einer arbeitet eng mit Volkswagen, der andere mit der Flexis AG zusammen“, sagt Ruskowski. „So ist sichergestellt, dass unsere Entwicklungen ständig von Unternehmen reflektiert werden, damit wir nicht in die falsche Richtung forschen.“ Wie Austausch und Zusammenarbeit praktisch aussehen, zeigt die SmartFactoryKL einmal monatlich auf YouTube mit dem Format SmartFactory-KL LIVE. „In der Mai-Sendung haben wir das Thema Multiagentensysteme diskutiert“, erzählt Ruskowski. „Wir finden es wichtig, unser Wissen und unsere Gedankenansätze auszutauschen und sie auch öffentlich zur Disposition zu stellen. Wir machen ja keine geheimen Arbeiten, sondern wollen gemeinsam technische Lösungen mit Partnern entwickeln, die im weitesten Sinne auch der Gesellschaft nützlich sind.“ Gerade Unternehmen tun sich oft schwer, langfristig zu denken, Visionen zu entwickeln und Neuerungen einzuführen. „Viele sind oft in alten und überholten Vorstellungen verhaftet. Ich denke nur an das Thema Nachhaltigkeit. Den Sinn und die Notwendigkeit versteht heute jeder“, weiß Ruskowski. „Aber es war teilweise ein langer Weg. Mittelständische Unternehmen sind da oft viel experimentierfreudiger als die großen.“

Knackpunkt Maschinendaten
Das betrifft auch das Thema Maschinendaten. Gaia-X soll als sicherer Datenrahmen dienen. Trotzdem sind Unternehmen skeptisch, ihre Maschinendaten zu teilen. „Man kann aus den Daten natürlich etwas herauslesen“, sagt Ruskowski. „Beispielsweise, dass eine Maschine sehr energieeffizient arbeitet. Daraus lassen sich dann unter Umständen Produktionskosten ableiten. Viele Firmen haben Angst, dass das Wissen der Konkurrenz nutzen könnte. Wir sehen es eher positiv: von dem Wissen könnten andere profitieren. Alle könnten so lernen, wie man Energie sparen kann. Davon profitieren dann viele. Nach diesem Prinzip arbeiten wir Fabrikvordenker: miteinander statt gegeneinander!“

 

Quelle Text/Bild:
Technologie-Initiative SmartFactory KL e.V.
Trippstadter Straße 122
67663 Kaiserslautern

http://smartfactory.de

Kaiserslautern, 26.05.2021