Lesetipps von der Buchhandlung „blaue Blume“ 25.04.

Katharina Mevissen – Ich kann dich hören
Osman Engels, Sohn eines türkischen Geigers und einer deutschen Mutter, die die Familie vor vielen Jahren verlassen hat, studiert in Hamburger Cello und lebt in einer WG, wo er eine tiefe Zuneigung zu seiner Mitbewohnerin Luise entwickelt, was er weder sich noch ihr (ein)gesteht. Auch das Verhältnis zu seinem Instrument ist nicht unproblematisch: Manchmal möchte er es verscherbeln, aber inzwischen weiß er, dass er sich selbst dabei abhanden kommen würde. Er findet ein Diktiergerät und hört sich die Aufnahmen immer wieder an – die Tracks sind unbeabsichtigte Mitschnitte eines „Gesprächs“ zwischen der gehörlosen Jo und ihrer „Dolmetscherin“ Ella , die zu einer Operation rät. Außerdem ruft ihn immer wieder seine Tante Elide an, die seine Mutter vertreten hat und nicht länger bereit ist, für Osmans inzwischen arbeitslosen Vater den Haushalt zu führen. Sie verschwindet nach Paris, der Vater zieht ins Häuschen im Schrebergarten. Bei dieser Gelegenheit erfährt der Student ein Familiengeheimnis, das ihn stark berührt. – Hören und Zuhören ist das Thema des Romans, das gekonnt vielfältig variiert wird. Meist ist Osman der Ich-Erzähler, aber auch Elide und Ella kommen zu Wort. Dabei nutzt die Autorin eine jeweils ganz eigene Sprach- und Sprechform. Besonders musikalisch wird die Ausdrucksweise, wenn es um Klänge und ihren Zusammenhang mit der menschlichen Psyche geht. Ein sehr eindrucksvolles Debüt!
Roman | Wagenbach | 168 Seiten | 19,00 Euro

Paul Ingendaay – Königspark
Roman | Piper | 396 Seiten | 22,00 Euro
Der Park Casa de Campo in Spaniens Hauptstadt ist zu Beginn der 2000er-Jahre ein riesiger Straßenstrich, auf dem sich Frauen aus unzähligen Ländern den vorbeifahrenden Männern anbieten. Die Frauen sind fast schutzlos den Freiern, dem erfolgreichen Zuhälter Rico Vargas und dessen „Hütern“ ausgeliefert, die die Zwangsprostituierten gnadenlos zurechtweisen, sollten sie aus der Reihe tanzen. Dann taucht Nuria auf, eine rabiate Kampfsportlerin wie aus einem Superheldenfilm: Sie verteidigt die Frauen notfalls mit Gewalt, lässt sich aber auch von Rico Vargas dafür bezahlen. Was treibt Nuria an? – Paul Ingendaay lebte als Journalist lange in Madrid und ist daher gut vertraut mit den Widersprüchen der (konservativen) spanischen Gesellschaft. Trotz aller fiktionalen Elemente ist sein Blick auf diese Umbruchszeit in Spanien scharfsichtig und ungemein erhellend.

Anthony Horowitz – Ein perfider Plan. Hawthorne ermittelt
Hörbuch | GoyaLit | 4 CDs | 20,00 Euro
Ein köstlicher britischer Krimi, gespickt mit unterhaltsamen Anspielungen, getragen von britischem Humor und von Volker Hanisch gekonnt und souverän vorgetragen: Kurz nachdem Diana Cowper Vorsorge für ihre Beerdigung getroffen hat, wird sie ermordet. Feinde hatte sie einige, aber wer würde so weit gehen, die ältere Dame gleich zu ermorden? Ahnte sie etwas und hat deshalb ihre Beisetzung schon vorbereitet? Privatdetektiv Hawthorne macht sich an die Ermittlungen, schaltet aber auch den Autoren Anthony Horowitz ein, damit dieser aus dem Fall zugleich ein Buch macht. Dadurch wird der Schriftsteller tiefer in den Fall hineingezogen, als ihm eigentlich lieb ist. Hinzu kommt noch, dass die beiden so ihre Eigenarten haben, was die Zusammenarbeit nicht immer ganz leicht macht. Das ungleiche „Holmes and Watson“-Duo erlebt bis zur Lösung so einige Überraschungen … (Aus dem Englischen von Lutz-W. Wolff)

Nektarios Vlachopoulos – Niemand weiß, wie man mich schreibt
Humor | Lappan | 122 Seiten | 10,00 Euro
Zu unser aller Glück hat Nektarios Vlachopoulos seinen Job als Deutschlehrer aufgegeben und mit Slam-Poetry und Comedy angefangen – 2018 bekam er für sein wortgewandtes, selbstironisches Programm den Deutschen Kabarettpreis. Nun ist sein erstes Buch erschienen, und wer ihn bislang nicht kannte, erfährt hier alles über diesen Sprachkünstler: seine Entscheidungsunfähigkeit, seinen schweren Lebensanfang im Kraichgau, seine Frauengeschichten … aber er führt uns auch vom mittelalterlichen Minnesang bis zur Poesie der Gegenwart, lässt uns an den Tücken des Internet-Neulands (s. Merkel) und an allen Lehrer-Klischees teilhaben. Wer Spaß am Spiel mit Sprache und Formulierungen hat, sollte sich merken, wie man Nektarios Vlachopoulos schreibt.

Marisha Pessl – Niemalswelt
Jugendbuch (ab 14) | Carlsen | 382 Seiten | 18,00 Euro
Nachdem ihre große Liebe Jim ums Leben gekommen ist, vermeidet Bee den Kontakt zu ihrer Freundesgruppe. Ein Jahr später wollen sich alle in einem abgelegenen Haus treffen, um über die Vergangenheit zu sprechen, als ein Beinahe-Unfall die Jugendlichen erschreckt. Noch viel größer ist die Überraschung, als sie von einem „Wächter“ erfahren: Die Freunde sind in einer Zeitschleife gefangen und erleben den Unfall-Tag nun immer wieder aufs Neue, bis sie sich auf eineN aus ihrer Reihe geeinigt haben, der/die als EinzigeR überlebt. Wie kann man über so etwas diskutieren? Die Freunde stellen fest, dass diese Falle etwas mit Jims Tod zu tun hat … Marisha Pessls starker Misterythriller findet für das Zeitschleifen-Thema eine überraschende neue Wendung. Stark! (Aus dem Englischen von Claudia Feldmann)

Jana Bauer – Die kleine Gruselfee
Kinderbuch (ab 5) | Sauerländer | 124 Seiten | 15,00 Euro
Mit dem Südwind wird die kleine Gruselfee in den Wald hineingeblasen – und damit beginnt der Ärger. Denn die Tier sind mit dem Benehmen der Neuen gar nicht einverstanden: Sie kämmt sich mit dem Igel, verteilt ihre Sachen im Wald, erzählt ständig von ihrer Urgroßmutter und will immer ihren eigenen Willen durchsetzen. Klar, dass der Igel dann erst einmal versucht, die anderen Waldtiere gegen die gar nicht so gruselige Gruselfee aufzubringen, schließlich hat sie für Unfrieden gesorgt. Doch nach und nach verstehen alle, dass hinter der harten Schale doch ein weicher Kern sitzt. Offenbar meint es die Gruselfee doch gar nicht böse. – Ein sympathische Vorlesebuch über das Zusammenleben unterschiedlicher Charaktere. Mit vielen zarten, humorvollen Illustrationen von Caroline Thaw.

Quelle Text/Bild:
buchhandlung blaue blume
Richard-Wagner-Str. 46
67655 Kaiserslautern

www.buchhandlung-blaue-blume.de

Kaiserslautern, 25.04.2019