EFRE-Projekt unterstützt Entwicklung Digitaler Zwillinge für Reifen

Neues Forschungszentrum am Fraunhofer ITWM – Reifensimulationen für nachhaltige Mobilität

Digitale Zwillinge gelten in vielen industriellen Prozessen als Schlüsseltechnologie, so auch beim virtuellen Entwicklungsprozess von Reifen. Ihr Einsatz ermöglicht es, Reifenabrieb, Verschleiß und Geräuschentwicklung schon bei der Konstruktion des Produkts zu minimieren. Um diese Technologien weiterzuentwickeln, baut das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM mit Unterstützung der EU und des Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen eines EFRE-Programms ein Labor mit modernsten Versuchseinrichtungen rund um den Reifen in einem eigens dafür gebauten Technikumsgebäude. Das Institut in Kaiserslautern schafft damit die Grundlage für präzise Simulationen und nachhaltige Innovationen in der Reifenforschung.
Um die Entwicklung moderner Simulationssoftware weiter voranzutreiben und komplexe Modelle zuverlässig zu validieren, investiert das Fraunhofer ITWM verstärkt auch in Versuchseinrichtungen. Am Standort Kaiserslautern entsteht daher ein modernes Technikumsgebäude, das künftig Werkstätten, Labore und Testeinrichtungen beherbergt. Hier stehen Charakterisierungen und -prüfungen unterschiedlicher Materialien im Fokus – zentrale Bausteine zum Erstellen Digitaler Zwillinge.
Das Technikumsgebäude selbst wird vom Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz finanziert, während die beschriebene Ausstattung mit Versuchseinrichtungen durch das Wirtschaftsministerium des Landes Rheinland-Pfalz unterstützt wird. Letztes Vorhaben ist auf zwei Jahre angelegt, die Gesamtausgaben belaufen sich auf rund 8 Millionen Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent.
Insgesamt stellt das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau rund 4 Millionen Euro aus EU-Mitteln (circa 3,2 Millionen Euro) und Landesmitteln (circa 0,8 Millionen Euro) bereit.
Digitale Zwillinge sind umfassende Datensätze realer Objekte, die für Simulationen und Tests in virtuellen Umgebungen genutzt werden. Ein wichtiges Anwendungsbeispiel: Um das Verhalten von Reifen unter verschiedenen Bedingungen realitätsgetreu zu simulieren, müssen relevante Material- und Abriebdaten an Prüfständen erhoben werden. Mit den neuen Versuchseinrichtungen, die die benötigten Daten präzise erheben, schafft das Fraunhofer ITWM die Basis für realitätsnahe digitale Modelle und leistungsfähigere Simulationssoftware.

Reifen als unterschätzte Emissionsquelle: Modelle für weniger Abrieb
Die Automobilbranche ist im Umbruch, Reifen bleiben aber auch in Zukunft ein unverzichtbarer Bestandteil der Mobilität – unabhängig vom Antrieb. Beim Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz konzentrieren sich aktuelle Veränderungen der Branche bisher vor allem auf den Fahrzeugantrieb, um CO₂- und Feinstaubemissionen zu reduzieren. Besonders bei Elektrofahrzeugen, deren Nachfrage wächst, rückt der Reifen verstärkt in den Fokus, denn er ist einer der wenigen verbleibenden Verursacher von Emissionen.
»Bisher wurden die sogenannten Nicht-Abgasemissionen – zu denen neben Bremsstaub auch der Reifenabrieb zählt – in der Nachhaltigkeitsbetrachtung weniger berücksichtigt,« so Dr. Klaus Dreßler, Leiter des Bereichs »Mathematik in der Fahrzeugindustrie«. »Unsere Modelle für Reifen ermöglichen eine präzise Simulation. Dabei analysieren und simulieren wir den Einfluss der Reifenkonstruktion, der verwendeten Materialien und des Fahrbahnbelags.« Mit einem Digitalen Zwilling des Reifens unterstützt das Fraunhofer ITWM Unternehmen zukünftig dabei, neue Designs zu entwickeln, die eine hohe Laufleistung bieten, an die jeweils relevante Umgebung angepasst sind und zugleich verschleißresistenter sowie nachhaltiger bleiben.
Im Bereich »Mathematik für die Fahrzeugentwicklung« des Instituts liegt der Schwerpunkt seit mehreren Jahren auf Forschungsthemen wie Mobilität und Energieeffizienz von Fahrzeugen. Besonders intensiv untersucht das Team den Einsatz von Simulation und Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel zur Validierung von Sensoren im Kontext des autonomen Fahrens. Ein weiterer Fokus liegt auf Simulationsmodellen für Reifen, hier wurde unter anderem das erfolgreiche Softwaretool »CDTire«
entwickelt, das in der Reifen- und Fahrzeugindustrie bereits flächendeckend im Einsatz ist.



Stärkung des Forschungsstandorts Rheinland-Pfalz
Das Institut wird im Rahmen des EFRE-Programms für den Auf- und Ausbau anwendungsorientierter Forschungs- und Entwicklungsinfrastrukturen durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz gefördert. Staatssekretär Andy Becht betont: »Mit der Investition in modernste Forschungseinrichtungen stärken wir den Innovationsstandort Rheinland- Pfalz und leisten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Mobilität. Das neue Zentrum schafft eine Brücke zwischen der Reifen- und der Fahrzeugindustrie, indem es wissenschaftliche Exzellenz mit industrieller Anwendung verbindet.«
Das Forschungszentrum trägt zukünftig dazu bei, die Mobilität effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. »Mit dem neuen Technikum und dem geplanten Reifen-Prüfstand schaffen wir eine zukunftsweisende Infrastruktur, die langfristig zum Erforschen und Optimieren von Reifeneigenschaften und deren Emissionen genutztwird,« so Prof. Dr. Anita Schöbel, Institutsleiterin des Fraunhofer ITWM. »Im Rahmen des EFRE-Projekts setzen wir als Fraunhofer ITWM damit einen wichtigen Impuls für nachhaltige Innovationen in der Reifenentwicklung.«
Neben der Konstruktion von Reifen wird das Technikum künftig auch für die Charakterisierung verschiedener Materialien genutzt und bietet Raum für weitere abteilungsübergreifende Forschungsprojekte, die bereits in Planung sind.

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Quelle Text/Bild:
Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik
Fraunhofer-Platz 1
67663 Kaiserslautern

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Kaiserslautern, 23.09.2025