Lesetipps von der Buchhandlung „blaue Blume“ 15.11.

Judith Schalansky – Verzeichnis einiger Verluste
In zwölf Erzählungen wendet sich Judith Schalansky dem Verlust zu: Dinge, Orte und Menschen, die lange vergessen waren oder verlorengegangen sind, stehen im Mittelpunkt ihres neues Buchs. Eine versunkene Südseeinsel mit Namen Tuanaki oder die Gegend rund um Greifswald, die die Autorin aus ihrer Kindheit kennt, gehören ebenso dazu wie die griechische Dichterin Sappho, Einhörner oder der Palast der Republik. Für die mehrfach ausgezeichnete Autorin ist das Vergangene nicht spurlos verschwunden, sondern wirkt immer bis in unsere Gegenwart. Mit unglaublichem Einfallsreichtum und großer Gestaltungskraft macht sie aus jedem Text eine ganz eigene Leseerfahrung. Absurdes, Fiktives und genau Recherchiertes vermengen sich zu einem literarischen Kompendium von Details, die wir in Erinnerung behalten sollten.
Erzählungen | Suhrkamp | 252 Seiten | 24,00 Euro

Jonathan Lee – High Dive
Roman | btb | 461 Seiten | 16,00 Euro
Philip „Moose“ Finch, einst Spitzensportler, jetzt, gesundheitlich angeschlagen, als Manager des Grand Hotel in Brighton tätig, erhält enormen Auftrieb, als er erfährt, dass sein Hotel in 24 Tagen die Regierungschefin Margaret Thatcher und ihr Kabinett beherbergen soll. Trotz all seiner Bemühungen um Perfektion entgeht ihm, dass sich ein Gast in Zimmer 629 eincheckt und dort eine Bombe platziert, die bei der Ankunft der „Eisernen Lady“ detonieren soll. Hergestellt wurde diese Bombe von Dan, einem jungen Bombenbauer der IRA, der zu den Hauptpersonen zählt, aus deren Perspektive die Ereignisse geschildert werden. Auch der Schauplatz des Geschehens wechselt: Brighton und Belfast. Dem bis zum Schluss ungemein spannenden Roman liegt die Detonation einer Bombe am 12.10.1984 im Grand Hotel in Brighton zugrunde. Diese Fakten verbindet der Autor mit fiktiven Personen und Ereignissen zu einem politischen Roman, in dem es um Gewalt, Gewissen und Loyalität geht. (Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann)

Detlef B. Blettenberg – Falken jagen
Krimi | Pendragon | 384 Seiten | 18,00 Euro
In Thailand mordet ein Unbekannter augenscheinlich wahllos: Zugezogene Deutsche, aber auch ein griechischer Botschaftsmitarbeiter sterben. Die Behörden kommen nicht voran, bis Privatermittler Farang eingeschaltet wird und sich auf die Spur des „Falken“ macht. Es stellt sich heraus, dass der Killer durchaus über ein Motiv verfügt und einen Rachefeldzug gestartet hat, dessen Anfänge auf einer griechischen Insel zur Zeit des Zweiten Weltkriegs liegen. Und was damals anfing, ist offenbar noch lange nicht zu Ende … Zwischen thailändischen Stränden und einer Gräueltat in Griechenland changiert der raffiniert konstruierte und auf historischen Fakten beruhende Krimi, in dem Detlef B. Blettenberg viel von seinem erfahrenen Ermittler verlangt. Coole Dialoge, eine Portion Zynismus und überraschende Einsichten machen dieses Buch so lohnenswert.

Heinz Strunk – Das Teemännchen
Hörbuch | tacheles | 4 CDs | 20,00 Euro
Heinz Strunk hat für dieses Hörbuch seine neuen Geschichten (ungekürzt) selbst eingelesen: Die zum Teil sehr kurzen, eigentlich immer sehr bösen und witzigen, pointierten Texte handeln von scheiternden, unglücklichen, verzweifelten Menschen. Mal in ausweglosen Situationen (angebunden an ein sich drehendes Windrad), mal in selbstgewählter Isolation (Pommes-Bude oder LKW-Führerhaus), aber immer vom Versagen bedroht, hadern sie mit ihrem Schicksal – vom Autor bis ins Detail ausgeleuchtet, aber nie dem Spott preisgegeben. Denn abgesehen von einigen kafkaesken Wendungen beobachtet Heinz Strunk die Abgehängten und Vergessenen unserer Gesellschaft. Scharf, fies und unterhaltsam.

Manja Präkels – Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
Jugendbuch (ab 16) | Verbrecher | 232 Seiten | 20,00 Euro
Für ihren autobiografisch inspirierten Roman erhielt Manja Präkels den Jugendliteraturpreis 2018: Es beginnt friedlich, in der tristen brandenburgischen Kleinstadt, in der Mimi und Oliver zu Vor-Wende-Zeiten leben. Die beiden Freunde spielen Fußball zusammen und essen heimlich so lange Schnapskirschen, bis ihnen übel ist. Mit dem Mauerfall wird so ziemlich alles anders, und aus Oliver wird nach und nach „Hitler“, der als Anführer einer Neonazi-Gang Jagd auf Ausländer macht und auch Mimi Angst und Schrecken einjagd. Die junge Frau beginnt, als Reporterin von den Überfällen zu berichten … Die Autorin erzählt überaus überzeugend von ihren eigenen Erfahrungen, vom Rassismus in der DDR und den Problemen ihrer Generation. Ein wichtiges, zu recht ausgezeichnetes Plädoyer fürs genaue Hinsehen und Einmischen.

Martin Baltscheit – Der einsamste Wal der Welt!
Kinderbuch (ab 4) | Carlsen | 48 Seiten | 16,00 Euro
Wale verständigen sich mit ihren berühmten Gesängen, rufen einander und finden sich somit. Nur ein Wal ist anders, denn er singt auf einen anderen Frequenz, die seine Artgenossen nicht hören können. Über dieses Tier, das es wirklich gibt und im Meer erforscht wird, hat Martin Baltscheit ein hoffnungsvolles Kinderbuch gezeichnet und geschrieben. Ein in die Jahre gekommener Forscher, der viel über den einsamsten Wal der Welt nachdenken muss, entschließt sich eines Tages, das Meeressäugetier zu besuchen – jenes Tier, das seine Eltern verloren und nie eine Frau gefunden hat. Kaum hat er in der Tiefsee den Wal erreicht, hat dieser auch schon Mitleid mit dem Taucher, der so allein und ohne Partner durchs Meer schwimmen muss … Eine anrührende Geschichte, wunderbar illustriert und mit verblüffendem Perspektivenwechsel.

Quelle Text/Bild:
buchhandlung blaue blume
Richard-Wagner-Str. 46
67655 Kaiserslautern

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Kaiserslautern, 15.11.2018