Gräfensteiner Holzrecht: Kostenloses Brennholz aus dem Wald

Ein mittelalterliches Recht lebt bis heute: Das Gräfensteiner Holzrecht sichert Bewohnern Brennholz aus dem Wald – doch es gibt klare Regeln.

Wenn Thomas Lenhard im Winter seinen Ofen einheizt, folgt er einer jahrhundertealten Tradition. Denn das Holz, das seine Wohnstube in Rodalben warm hält, hat Lenhard gemäß der Gräfensteiner Holzrechte selbst aus dem Wald geholt – kostenfrei und legal.
Der 57-Jährige lebt in einer der Gemeinden, die auf dem Gebiet des ehemaligen Gräfensteiner Landes liegen. Sechs Orte in der Südwestpfalz, die alle rund um die Burgruine Gräfenstein in der Verbandsgemeinde Rodalben liegen. Dort hat ein besonderes Recht den Lauf der Geschichte überdauert, das einst das Überleben der Bevölkerung sichern sollte: das Recht, bestimmtes Holz aus dem Wald zum heizen zu nutzen.

Jahrhundertealtes Recht
Wie alt die Gräfensteiner Holzrechte genau sind, lässt sich schwer sagen. Eine erste Urkunde, in der sie schriftlich erwähnt werden, stammt aus dem Jahr 1362. Zu diesem Zeitpunkt verkauften die Grafen von Leiningen das Dorf Leimen und legten deswegen schriftlich fest, dass die „armen Leute“ ihre Wald- und Weiderechte behalten sollten.
Diese und andere Quellen, die rund um die Gräfensteiner Holzrechte erhalten geblieben sind, trug Wilhelm Allgayer in seiner Dissertationsschrift „Die Forstrechte im ehemaligen Gräfensteiner Amt“ im Jahr 1961 zusammen. Darin ging er der Geschichte dieses jahrhundertealten Rechtes auf die Spur.

Holz als wichtigstes Waldprodukt
Das Holz aus dem Pfälzerwald habe damals bereits eine große Rolle gespielt und sei das wichtigste Waldprodukt gewesen. Das Recht, es zu nutzen, habe mit dazu beigetragen, dass sich die Menschen niedergelassen hätten, um das Land urbar zu machen.
Doch die Bevölkerung nutzte den Wald weitaus vielfältiger. Über die Jahrhunderte lassen sich immer wieder Quellen finden, die das belegen – häufig in Form von Beschwerden. Weil mehr Holz entnommen worden sei als erlaubt oder zu viele Tiere zur Mast in den Wald getrieben worden seien. Doch bei aller Kritik blieb das Gräfensteiner Holzrecht bestehen. Auch, weil immer wieder Bürger für die alten Nutzungsrechte kämpften – bis in die Zeit der Bundesrepublik.

In den 1960er Jahren fast verschwunden
Als sich Wilhelm Allgayer dem Thema in den 1960er Jahren widmete, kam er zu dem Schluss: „Viele Anzeichen deuten darauf hin, daß nach ein paar Jahrzehnten auch diese Zeugnisse längst vergangener Zeit verschwunden und in der Bevölkerung weitgehend vergessen sein werden.“
Wie sich gezeigt hat, lag Allgayer mit dieser Einschätzung falsch. Denn es gab und gibt weiterhin Menschen, die sich ganz bewusst für das Holzrecht einsetzen und die genau wissen: „Wenn das Recht zehn Jahre lang nicht ausgeübt wird, erlischt es“, erzählt Werner Becker (77), ehemaliger Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rodalben.
Gemeinsam mit Benno Schwarz (75), dem ehemaligen Ortsbürgermeister von Merzalben, befasste sich Becker 2017 intensiv mit dem Gräfensteiner Holzrecht. Denn die Frage, was das jahrhundertealte Recht genau ermöglicht und ob es auch in der mittlerweile ausgewiesenen Kernzone des Biosphärenreservates des Pfälzerwaldes gilt, sei lange nicht hinreichend beantwortet gewesen.



Gilt das Recht auch in der Kernzone?
„Wir wollten für die Bürger Klarheit schaffen“, erinnern sich Becker und Schwarz. Mit Hilfe des Rechtsanwalts Stephan Neuberger aus Pirmasens machten sich die beiden Kommunalpolitiker daran, das Thema verbindlich mit Landesforsten Rheinland-Pfalz zu klären. Das Ergebnis: „Die Gräfensteiner Holzrechte gelten uneingeschränkt für die Werbung von Brennholz fort – auch in der Kernzone“, fasst Becker zusammen.
Wer dazu berechtigt ist und das Gräfensteiner Holzrecht ausüben möchte, muss sich bei den berechtigten Gemeinden oder der Verbandsgemeindeverwaltung in Rodalben in eine Liste eintragen. Die Bürgermeister stellen dann einen sogenannten Holzschein aus, der zwei Monate gültig ist und bescheinigt, dass die Holzwerber das Holz mit Kraftfahrzeugen aus dem Wald transportieren dürfen. Denn auch wenn das Recht selbst uralt ist, heißt das nicht, dass mit alten Werkzeugen gearbeitet werden muss.

Mit dem Leiterwagen muss niemand kommen
Auch der Einsatz von Motorsägen ist möglich, wobei das Gräfensteiner Holzrecht auch hier eine Besonderheit aufweist. Während im Staatswald bei der Verwendung von Motorsägen normalerweise klare Vorgaben in Sachen Arbeitsschutz gelten, sind die Menschen, die sich auf das Gräfensteiner Holzrecht berufen, davon ausgenommen. Allerdings empfehlen die Gemeinden dringend, Schutzkleidung zu tragen und einen Motorsägenschein zu erwerben.
Zwar müsse die Ausübung nicht beim Forst beantragt werden, es sei jedoch immer besser, mit dem zuständigen Förster zu sprechen, raten Becker und Lenhard. „Man ist ja nicht allein auf der Welt und der Holzschein ist kein Freibrief für alles“, betont Lenhard. So gebe es ganz klare Vorgaben, welches Holz als Brennholz genutzt werden dürfe. Zudem sei es nur für den Eigenbedarf erlaubt.
Lenhard heizt bewusst mit Holz, einem Rohstoff, der nachwächst – anders als fossile Brennstoffe. Das Gräfensteiner Recht am Leben zu erhalten, findet Lenhard extrem wichtig. Denn dass es so etwas heute noch gebe, sei alles andere als selbstverständlich.

Holzscheine während Corona stärker nachgefragt
Wie viele Holzscheine pro Jahr ausgestellt werden, lasse sich schwer sagen, erklärt Jan Schäfer, Büroleiter bei der Verbandsgemeinde Rodalben. Auf die VG gerechnet, seien es zwischen 30 und 60 Stück pro Jahr, wobei Abweichungen nach oben und unten möglich seien.
In Clausen seien es im Schnitt zehn bis 15 Personen, die die Rechte regelmäßig in Anspruch nähmen, überschlägt der dortige Bürgermeister Jens Dresen.
Da der Schein nur zwei Monate gültig sei, müsse er regelmäßig erneuert werden: „Ich stelle jede Woche einen Schein aus“, sagt Michael Köhler, der Bürgermeister von Merzalben. 2024 seien es 38 Stück gewesen, in diesem Jahr bisher 26. In der Gemeinde Münchweiler sind die Zahlen niedriger, 2023 seien vier Berechtigungsscheine ausgestellt worden, 2024 und 2025 keine, schildert Bürgermeister Timo Bäuerle.
Vor allem in Notzeiten scheint das Holzrecht gefragt zu sein. So erinnern sich die Bürgermeister daran, dass die Nachfrage nach den Holzscheinen während der Corona-Pandemie deutlich gestiegen sei. Ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 1980 zeigt: Auch damals stieg die Nachfrage an, nachdem die Ölpreise explodiert waren.

Holzrechte sollen erhalten bleiben
Doch auch ohne Notzeiten: Werner Becker und Benno Schwarz sind zufrieden, dass die Gräfensteiner Holzrechte verbindlich geklärt sind. Gab es ähnliche Rechte auch woanders? „Klar. Aber da hat sich niemand rechtzeitig drum gekümmert“, sagt Becker.
Womit wir wieder bei den Listen sind, in die sich die Bürger eintragen. So wird schriftlich dokumentiert, dass das Recht immer noch ausgeübt wird, wodurch es weiterhin Bestand hat.

Quelle Text:
RHEINPFALZ Verlag & Druckerei Verwaltungs-GmbH
Amtsstraße 5 – 11
67059 Ludwigshafen

26.09.2025

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